24 Special -- Stephan Strothe

US Millionär bekämpft Sekte --
Kreuzzug gegen Scientology

Moderator:
Im ehemaligen Piratenschlupfwinkel Clearwater an Florida's Westküste wird jedem Besucher schnell klar, wer heute hier um die Macht kämpft. Scientologen beherrschen das Strassenbild, vor allem im Zentrum. In Clearwater sind sie ihrem Traum von einer eigenen Scientology-Stadt ein ganzes Stück näher gekommen. Von hunderttausend Einwohnern gehören heute angeblich schon sechstausend zur Sekte. Dazu kommen Scientology-Touristen aus aller Welt. Sie pilgern zu diesem ehemaligen Luxus-Hotel und zahlen Tausende von Dollars für Kurse, die ihnen höhere Weihen versprechen. Das Fort Harrison ist ihr religiöses Zentrum. Wer sich nähert, wird beobachtet. Der Sicherheitsdienst der Sekte begleitet unser Team auf Schritt und Tritt. Scientology-Sheriffs melden jede Feindbewegung über Funk an die Zentrale.

An diesem Morgen wären die Wachmänner noch nervöser, wenn sie wüssten, wer gerade Kurs auf Clearwater nimmt: Der Mann, den die Scientology-Führung wahrscheinlich zur Zeit am meisten fürchtet. Bob Minton, ein millionenschwerer Banker, der nicht tatenlos zusehen will, wie die Sekte versucht, ihre Kritiker einzuschüchtern.

Bob Minton:
Ich fühle mich ein bisschen wie auf dem Weg in der Höhle des Löwen. Ehemalige Sekten-Mitglieder haben mich gewarnt: "Egal was Du tust, gehe nicht ins Fort Harrison Hotel. Die Scientologen könnten dort für einen Zwischenfall sorgen" Meine Freunden sagen, Du leidest nicht unter Vefolgungswahn, die Scientologen wollen Dich fertigmachen.

Moderator:
Mr. Minton fährt nach Clearwater, weil er an das amerikanische Demokratiemotto glaubt: "Wenn Du was bewegen willst, warte nicht auf den Staat, tü es selbst."

"Scientology will Dein Geld und Dein Leben" warnt das selbstgemalte Plakat. Als die Sekte gegen Kritiker im Internet mobil machte, begann der 51-jährige Computerfan Minton seinen Kreuzzug.

Bob Minton:
Wie Sie sehen, mobilisieren die Scientologen eine Menge Leute. Offenbar macht sie unserer kleine Protestaktion unruhig.

Moderator:
Der Sprecher der Scientologen in Clearwater, Brian Anderson, geht zum Gegenangriff über.

Brian Anderson:
Bob Minton's Angriffe gegen uns, das ist so als würde ein Nazi eine Anti-jüdische Organisation unterstützen. Jemandem Geld zu geben, damit er eine religiöse Minderheit attackieren kann, dass ist einfach bösartig.

Moderator:
Das Böse, glaubt Bob Minton, ist auf der anderen Strassen Seite.

Bob Minton:
So viele Menschen mussten furchtbar leiden, nur weil sie mal Scientologen waren. Besonders schlimm finde ich, dass die Kirche versucht Aussteiger, die sich kritisch äussern, zu zerstören. Diese Ex-Mitglieder werden finanziell ruiniert oder mit endlosen Prozessen überzogen. Ich will mit meinem Geld für Chancengleichheit sorgen, die Aussteiger sollen sich wehren können.

Moderator:
Zum Ärger der Scientologen kann Bob Minton aus dem vollem schöpfen. Wie viel haben Sie schon ausgegeben?

Bob Minton:
Bisher 1,4 Mio Dollar. Und ich habe noch ein paar hunderttausend fest zugesagt. Wenn es sein muss, gebe ich noch mehr aus.

Moderator:
Viertausend Kilometer von Clearwater entfernt kaufte Bob Minton zwei Sekten-Aussteigern ein Inselhaus, weil in ihrer ehemaligen Nachbarschaft regelmässig Scientology-Demonstranten auftauchten.

Eine Fluchtburg für eine halbe Million Mark. Stacy Young fühlt sich selbst hier nicht mehr sicher. Vor kurzem erhielten Nachbarn anonyme Warnungen: Die Katzen in Tierheim der Youngs seien Überträger gefährlicher Krankheiten. Keine Überraschung für die Sekten Aussteigerin.

Stacy Young:
An unserem früheren Wohnort wurde es unerträglich. Eines Abends standen plötzlich zwei Angestellte einer Nervenheilanstalt vor der Tür. Anomyme Anrufer hatten behauptet, ich sei verrückt. Die Beiden waren überrascht, als sie mich kennenlernten und ich ihnen erzählte, dass das ganze eine Aktion der Scientologen war. Bob Minton hörte von unserem Problem, rief einfach an und sagte, "Ich helfe Euch." Den Mann hat uns Leben gerettet, als wir einfach nicht mehr weiterwussten.

Moderator:
In amerikanischen Werbespots verkauft sich Scientology als "religiöse Philosophy." Teure, immer neü Kurse versprechen Lebenshilfe und eine bessere Welt. Stars wie John Travolta bekennen sich in Amerika offen zu Scientology und rühren die Werbetrommel. Die Botschaft: Seht her, wie weit mich Scientology gebracht hat.

John Travolta:
Die meisten Leute verstehen gar nicht, was Scientology ist,

Moderator:
sagt der Superstar bei eine Buch Party.

John Travolta:
Scientology gibt mir Antworten auf so viele Fragen. Auf diese Hilfe hab ich lange gewartet.

Moderator:
Jeder Scientologe soll an die reine Lehre glauben, und die kommt von Ron Hubbard. Der verstorbene Science-Fiction Autor nahm Elemente traditioneller Religionen, und vermischte sie grosszügig mit Psychoanalyse und Weltraumabenteürn zu einer neün Ideologie. Deutsche Gerichte entschieden: Die Sekte versucht vor allem Geld zu machen. Aber in den USA ist Scientology als Religion anerkannt. Deshalb ist Sabine Haag aus einem Dorf bei Stuttgart mit ihrem vier Kindern nach Clearwater gezogen. Einen Scientology Gottesdienst dürfen wir nicht drehen. Erlaubt ist ein Interview im Verwaltungs Zentrum.

Sabine Haag:
Ich habe in einem kleinen Dorf gewohnt mit ungefähr fünfzehnhundert Einwohnern, da sind die Leute nach rechts und links gesprungen, wie wenn ich Aussatz gehabt hätte, wenn ich reingekommen war, weil es bekannt war, dass ich Scientologe war. Meine Kinder wurden auf dem Weg von der Schule zurück jeden Tag verprügelt. Sie hatten Angst in die Schule zu gehen, ich musste sie jeden Morgen vor die Klassentür bringen und dann abends oder mittags wieder abholen. Sie gingen nicht mehr alleine raus. Meine Kinder hatten keine Freunde mehr. Wir haben unsere Sonntagsgottesdienste hier. Wir haben Hochzeiten hier. Wenn jemand stirbt, haben wir unsere Beistände hier. Wir haben Taufen hier. Wir haben die ganze normalen Serv...also ganz normale Dinge die eine normale Kirche hat. Nur.. wir .. haben ... viel mehr Freude daran.

Moderator:
Angeblich weiss Sabine Haag nicht, dass Scientology-Aussteiger von ihrer Sekte drangsaliert werden.

Sabine Haag:
Also ich weiss hundertprozentig, dass wenn sie hier aus der Kirche rausmöchten, dass niemand sie zurückhält. Weil, wir werden gelernt, oder: Scientology ist eine Lehre, die sie lernt...lehrt, frei zu werden. Und Freiheit bedeutet, dass sie selbstbestimmt sind, so....dass wäre total im Gegensatz zur Lehre, wenn jemand sie halten würde.

Moderator:
Genau dass aber geschah nach Berichten von Ex-Scientologen im Fort Harrison Hotel. Deshalb demonstriert Bob Minton vor dem sogenannten religiösen Hauptquartier. Nach Gesprächen mit Sekten-Aussteigern aus vielen Teilen der USA ist Minton überzeugt:

Bob Minton:
Es gibt eine lange Liste von ehemaligen Kult-Opfern, denen in diesem Hotel grosser Schaden zugefügt wurde.

Moderator:
Fest steht: Im Fort Harrison durchlebte eine 36-jährige Frau die letzen Tage ihres Lebens. Lisa McPherson's Fall beschäftigt seit über zwei Jahren die Polizei. Die Scientologin gab 1994 die Hälfte ihres Einkommens für Sektenkurse aus. Ein Jahr später feierte sie ihren "Clear" Status. Einen Scientology-Weihe, die besonderes Glücksempfinden verspricht. Aber nur zwei Monate später zog sie sich, nach einen leichten Auffahrunfall auf der Strasse, splitternackt aus und sagte, "Ich brauche Hilfe". Ein Krankenwagen brachte sie in die Notaufnahme. Dann tauchten mehrere Scientologen auf. Mit ihnen kehrt Lisa zurück ins Fort Harrison. Was dort geschah ist immer noch ungeklärt.

Aber Scientologen notierten in allen Einzelheiten, wie sich ihr Zustand rapide verschlechterte.

Von Anmerkungen:
"Habe versucht, sie zu füttern. Sie hat nichts gegessen. Braucht zwei Liter Flüssigkeit, wenn sie aufwacht. Hat am ganzen Körper Kratzer und Schürfwunden.

Moderator:
Am siebzehnten Tag schliesslich beschlossen die Scientologen, Lisa McPherson ins Krankenhaus zu bringen. Aber das Auto fuhr an einem nahegelegenen Hospital vorbei, und hielt auch nicht am nächsten, oder dem übernächsten Krankenhaus. 45 Minuten lang fuhren die Scientologen zum New Port Ritchie Hospital, weil dort ein Arzt arbeitete, der selbst Scientologe ist. Zu spät für Lisa McPherson. Sie starb abgemagert und fast ohne Flüssigkeit im Körper. Demnächst will der Staatsanwalt in Clearwater entscheiden, ob Scientologen angeklagt werden. Die Gerichtsmedizinerin stellte Blutergüsse und Hautverletzungen fest, die an Insektenbisse erinnern. Der Obduktionsbericht nennt als Todesursache: Ein Blutgerinnsel in der Lunge, mitverursacht durch überlange Bettruhe und starken Flüssigkeitsverlust.

Lisa's Tanta Dell Liebreich ist die nächste Verwandte der Verstorbenen. Sie verklagt Scientology auf 144 Millionen Mark Schadenersatz. Hier geht's nicht ums Geld, sagt sie. Sie will endlich ein Urteil gegen diejenigen, die ihrer Meinung nach für Lisa McPhersons Tod verantwortlich sind.

Lisas Tante:
Ich finde es schrecklich. Wie kann man einfach dabei sitzen und zusehen, wie ein Mensch sterbt. Sie haben ihr nicht geholfen und Lisa sterben lassen.

Moderator:
An Lisa McPhersons zweitem Todestag kommen Scientology-Kritiker zu einer Gedenkfeier vor das Fort Harrison. Auch Bob Minton ist dabei.

Dreitausend Gegendemonstranten werfen dem Polizeichef von Clearwater vor, eine Hexenjagd auf die Kirche zu veranstalten. Was sagt Scientology-Anwalt Sandy Weinberg zu der Schlussfolgerung der Gerichtsmedizinerin, Lisa sei auch an Flüssigskeitsmangel gestorben?

Weinberg:
Das behauptet die medizinische Gutachterin in ihrem Obduktionsbericht, aber diese Frau irrt sich und sie hat starke Vorurteile gegen Scientology.

Interviewer:
Wollen Sie sagen, dass die Untersuchungsproben wertlos (tainted) sind?

Weinberg:
Das Blutgerinnsel, dass die Lungenembolie auslöste, wurde nicht durch extremen Flüssigkeitsverlust verursacht, sondern stammt ganz sicher von einer früheren Verletzung.

Moderator:
Anwalt Ken Dandar klagt im Nahmen von Lisas Tante gegen Scientology. Sein Honorar zahlt Millionär Bob Minton.

Ken Dandar:
Für die Blutgerinnseltheorie der Scientologen gibt es keinen einzigen medizinischen Beweis. Alles deutet darauf hin, dass Lisa einen langsamen, qualvollen Tod gestorben ist. Das Gerinnsel liess ja immer noch etwas Blut durch. Lisa starb an Flüssigskeitmangel. Ohne Wasser kann niemand leben. Lisa musste sterben weil sie sich den Gesetzen der Scientologen nicht unterordnen wollte. Sie wollte die Kirche verlassen, dafür gibt es mehre Zeugen. Sie wollte nicht klein beigeben und die Scientologen liessen sie sterben.

Moderator:
Viele Bürger Clearwaters wollen vorsichtshalber nichts über die Scientologen sagen. Aber dieser Mann meint:

Mann 1:
Als ich aufwuchs, war Clearwater eine nette Kleinstadt. Wenn Sie heute in die Innenstadt gehen, dann sehen Sie überall Scientologen. (Roboter äffend.) Wie Zombies.

Frau:
Mich stören die überhaupt nicht (Oh they don't bother me.) Sie sind nette junge Leute. Ich verstehe zwar nicht, warum sie dazugehören, aber es sind einfach nur nett aussehende junge Leute.

Mann 2:
Ich weiss nur, dass Ron Hubbard dieses Buch geschrieben hat. Für mich ist das ein religiöser Kult. Und ich weiss, dass denen viel Grund und Boden hier gehört.

Moderator:
In dieser gut gesicherten Wohnanlage leben die meisten Scientologen Clearwaters. Das Auftauchen unseres Kamerateams wird sofort gemeldet. Bestimmt auch, dass Gabe Cazares uns begleitet. Er war Bürgermeister, als die Sekte in den siebziger Jahren nach Clearwater kam.

Gabe Cazares:
Ich weiss nicht, ob der Zaun Eindringlinge abhalten oder die Scientologen an der Flucht hindern soll. Niemand kommt rein oder raus ohne das OK der Wachposten.

Moderator:
Mitten im Interview bricht der Alt-Bürgermeister ab. Scientology-Sprecher Brian Anderson ist aufgetaucht und mit dem will Gabe Casarez nach einem Rechtsstreit kein Wort mehr reden.

Journalist:
Wollen Sie uns nur Guten Tag sagen?

Brian Anderson:
Das deutsche Fernsehen taucht hier auf und bringt gleich ein paar Demonstranten mit.

Journalist:
Wir belästigen Sie?

Brian Anderson:
Genau. Mit ihren Marionetten, die hier demonstrieren.

Moderator:
Der Ex-Bürgermeister möchte unser Interview lieber ein paar Kilometer entfernt fortsetzen, in Clearwaters Innenstadt. Als wir dort ankommen, ist Scientologe Brian Anderson längst da.

Teil 2

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